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Mario-WL: Schönen Guten Tag, Herr Shanel!

Josef Shanel: Ebenso! Und vielen Dank für das Interesse an meiner Arbeit!

Mario-WL: Sie und Mathias Wissnet sind bei Egmont Manga & Anime niemand geringeres als unsere Übersetzer des Detektiv Conan-Mangas aus dem Japanischen in die deutsche Sprache. Wie lange ist das schon so?

Shanel: Seit dem ersten Band, das war im Frühjahr 2000.

Mario-WL: Es gibt Menschen, die diesen oder einen ähnlichen Berufswunsch haben und in der Zukunft beispielsweise auch gerne Mangas übersetzen möchten. Welche weitere Vorgehensweise empfehlen Sie diesen?

Shanel: Japanisch lernen, klar! Dabei ist meiner Meinung nach weniger das Wie und Wo entscheidend, sondern es kommt darauf an, dass man die Sprache am Ende dann auch wirklich gut genug kann, um alle möglichen Stoffe sicher übersetzen zu können. Gute Fähigkeiten in der eigenen Sprache, also Deutsch, sollte man auch unbedingt mitbringen. Ein Gespür für Dialogaufbau, Sprachgebrauch, Nuancen etc. sind essentiell. Japanisch kann man an der Universität auf verschiedene Arten lernen, im Rahmen eines Japanologiestudiums oder dem Studiengang zum Diplom-Übersetzer. Genauso wichtig ist aber, sich auch viel mit der Sprache in seiner Freizeit zu beschäftigen. Lesen, Filme und TV sehen, idealerweise auch Leute zum Reden haben. Und sobald man firm genug ist, kann man sich bei Verlagen, Videospielfirmen, Übersetzungsagenturen bewerben und startet hoffentlich durch!

Mario-WL: Detektiv Conan ist für Sie eine Art „Dauereinsatz“, nicht wahr? Aber wo haben Sie denn sonst noch mitgewirkt? Und was war oder ist ihr liebstes Projekt?

Shanel: Angefangen zu übersetzen habe ich 1998, vollberuflich dann ab 2000. Meine liebsten Projekte liegen im Bereich der Videospiele, „Final Fantasy IX“ und „Kingdom Hearts 2“. FFIX, weil es ein riesiges Projekt noch recht zu Beginn meines Berufslebens war. Hier habe ich die wichtigsten Erfahrungen für die Zukunft gesammelt. Und KH2, weil es durch die Kooperation mit Disney einfach ein wunderbar facettenreiches Projekt war. Die zwei Monate Sprachaufnahmen im Tonstudio werde ich wohl nie vergessen. Es war sehr erfüllend zu sehen, wie den Dialogen, an denen man daheim eifrig geschrieben hatte, von so großartigen Sprechern Leben eingehaucht wurde.

Mario-WL: Wie läuft eigentlich Ihr ganz normaler Tag bei EMA ab?

Shanel: Zuerst mal scheint es da ein kleines Missverständnis zu geben: Es gibt keinen ganz normalen Tag bei EMA, denn ich arbeite nicht bei EMA, sondern freiberuflich für EMA. Das heißt, keine Kollegen, kein Büroalltag… Der Ablauf bei einer Conan-Übersetzung ist aber wie folgt: Ich bekomme das japanische Buch zugeschickt und eine Deadline genannt. Dann teile ich mir die Zeit ein und lege los. Zuerst wird stur übersetzt, ohne sich mit jeder Kleinigkeit aufzuhalten. Danach folgt ein Korrekturgang, der alles bereinigt und spruchreif macht. Mein Kollege Matthias Wissnet setzt dann seinerseits einen Korrekturgang an, danach wird noch über die eine oder andere Stelle beraten, gemeinsam eine Lösung für eventuelle Probleme gefunden, und das Skript steht. Das wird dann an die Redaktion geschickt, die dann ihrerseits noch einmal redigiert, zuletzt folgt das Lettering.

Mario-WL: Als wahrer Conan-Fan würden Ihnen einige von uns – einschließlich mir! – mit Sicherheit gerne zur Hand gehen. Oder haben Sie schon einen persönlichen Kaffee-Assistenten?

Shanel: Ein Assistent wäre eine feine Sache. Leider bin ich aber ein „Einmannunternehmen“, somit zwar mein eigener Chef, leider aber auch mein einziger Angestellter. Als Selbstständiger arbeite ich über die Hälfte meines Berufsalltags von zu Hause aus, alleine und im stillen Kämmerchen sozusagen. Die restliche Zeit arbeite ich vor Ort bei Firmen, also mit Büro und Kollegen, und das überwiegend im Ausland, speziell Japan und England.

Mario-WL: In bereits einem Monat erscheint endlich der neueste Band 74 der Manga-Serie. Können Sie noch einmal kurz und kompakt erklären, wie durch Sie und Ihr Team ein Conan-Band entsteht? Wie geht’s los und ab wann ist dieser reif für den Handel?

Shanel: Wie oben schon beschrieben: Rohübersetzung > eigenes Korrekturlesen > Korrekturlesen durch Kollegen > Problemstellen besprechen und Skript finalisieren > Abgabe an Verlag > Redigieren durch Redaktion > Lettering… Wie lange das alles dauert, ist schwer zu sagen. Ist auch immer etwas unterschiedlich. Ich denke, der ganze Entstehungsprozess für einen Band umspannt (mit Pausen) etwa 3 Monate, wovon die Übersetzung nur relativ wenig einnimmt.

Mario-WL: Seit so vielen Jahren helfen Sie uns, Conan beim Miträtseln Konkurrenz leisten zu können – Hand aufs Herz: Sind auch Sie ein kleiner Conan-Fan?

Shanel: Sicher! Detektiv Conan ist eine sehr clevere Serie, und der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Gut gemachte Krimigeschichten sind eben immer spannend und funktionieren weltweit! Das Ganze dann noch gepaart mit einer Hintergrundgeschichte gestrickt um die Hauptfiguren wie im Falle von Conan ergibt eine super Mischung, finde ich.

Mario-WL: Haben Sie das Tauziehen mit RTL II und VIVA um Detektiv Conan im TV eigentlich mitbekommen? Wie stehen Sie ganz persönlich zu neuen Folgen? Längst überfällig, oder lesen Sie sowieso lieber Ihren selbstübersetzten Manga?

Shanel: Beruflich habe ich nichts mit der Fernsehserie zu tun, und privat überhaupt nur ganz wenige Folgen gesehen. Von daher kann ich dazu nicht viel sagen…

Mario-WL: Das Interview neigt sich so langsam dem Ende, aber dies möchten wir noch wissen: Hat die Arbeit an Band 75 bereits begonnen? Wie viel ist Ihnen bereits bekannt?

Shanel: Nein, die Arbeit hat noch nicht begonnen, und ich habe den Band auch noch nicht gelesen. Aber hat Gosho Aoyama nicht neulich bei einer Veranstaltung gesagt, er wolle die Serie auf jeden Fall vor Band 100 abschließen? Damit wäre ja nach all den Jahren ein Ende für Conan in Sicht, und es gäbe Hoffnung für Ran und Shinichi!

Mario-WL: Nicht ganz, Herr Shanel! Detektiv Conan soll nicht die Manga-Serie Kochira Katsushika-ku Kameari-kōen Mae Hashutsujo, die bereits über 170 Bände umfasst und noch immer läuft, einholen, was die Anzahl an Manga-Bänden betrifft. Außerdem möchte Aoyama aufhören, sobald er Agasas Alter erreicht hat…

Vielen Dank im Namen von ganz ConanNews, dass Sie sich für unser Interview Zeit genommen haben und dass Sie unser Übersetzer sind!


http://detektivconan-news.com/13604