Hermes, das haben dir wohl die Götter eingeflüstert?! :) Schöne Post. Da muß ich gebührend antworten.
Wie es der Zufall will, hörte ich erst kürzlich in einem Radiobeitrag von einem schönen(!) Beispiel für deutsch-japanische Übersetzung(!). Da wurde Sensei Goethes "Wandrers Nachtlied" zunächst ins Japanische übersetzt.
Das Original vom Meister lautet:
Über allen Gipfeln Ist Ruh,In allen WipfelnSpürest duKaum einen Hauch;Die Vögelein schweigen im Walde.Warte nur, baldeRuhest du auch.(Ich habe das Goethe-Gedicht aus Wiki zitiert. Es handelt sich eigentlich um zwei Gedichte. Beide Gedichte wurden vom Meister in seiner Gesamtausgabe 1815 zusammengefaßt. Lest euch einfach den Wiki-Artikel
durch. Zufälligerweise habe ich aus dem Artikel erfahren dass der Meister die "Über allen Gipfeln"-Verse am 6. September 1780 geschrieben hat; genau heute feiert das Gedicht seinen 235sten.)
Die Verse wurden 1902 vom deutschen Original ins Japanische, 1911 aus der japanischen Übersetzung ins Französische und kurz darauf wieder ins Deutsche übersetzt. Kurioserweise waren sich die Deutschen Übersetzer garnicht bewußt einen deutschen Klassiker vor sich zu haben. Wahrscheinlich kam die französische Übersetzung als "Gedicht aus Japan" nach Deutschland und Goethes Erben nahmen wohl an es mit einem echten japanischen Gedicht zu tun zu haben. So brachten die Deutschen Übersetzer dann auch noch "zielgerichtet" fernöstliche Exotika (Pavillion, Jade, Kirschbaum) in die Übersetzung:
Stille ist im Pavillion aus JadeKrähen fliegen stummzu beschneiten Kirschbäumenim Mondlichtich sitze und weine.Eigentlich ein typisches Beispiel für die Schwierigkeiten "rein sprachlicher" Kommunikation an sich. Auch Muttersprachler "verstehen sich" schließlich nicht automatisch. Immer kommen etliche linguistische, psychologische, erkenntnistheoretische etc Missverständnisse, Manipulationen oder schlichtes Unvermögen hinzu. (Das große Problem des mich-versteht-keiner. Versteht sich denn jeder selbst?) Bei diesem Beispiel kommt dann natürlich noch besonders der Stille-Post-Effekt hinzu.
DC-Fans ist das Übersetzungsproblem - sei es Manga oder Anime; von Profis oder Amateuren, ohnehin sehr geläufig. Eigentlich wollte ich hier aber nicht auf die Übersetzungsproblematik hinaus; das es durch die Post von Hermas nun doch dazu gekommen ist, finde ich aber ganz gut. Man sieht wieder wie schwer es ist von einer Sprache in eine andere zu übersetzen oder einen Sinn aus einer Kultur in eine andere Kultur zu übertragen.
Aber zurück zur DC-Folge "Mord in Dichterkreisen". Das Mordopfer, ein skrupelloser Börsenspekulant, beleidigt permanent alle Menschen um sich herum und geht auch soweit Andere gezielt geschäftlich zu schädigen und sogar zu erpressen. Nach dem Mord entwendet der Täter ein Gedicht aus dem Notizbuch des Spekulanten. Conan kann das Gedicht rekonstruieren oder ausfindig machen und als der Täter das Gedicht zitiert, wird er von Conan überführt. Mir ist nicht ganz klar wie Conan an das entwendete Gedicht gekommen ist. Vielleicht hat er einen der Polizeibeamten beauftragt den eigentlichen Dichter - ein Untergebener des Börsenspekulanten, der sich kurz bei Kogoro Mori vorstellte - auszufragen? Vielleicht wurde die Ermittlung um das Gedicht in der deutschen Folge geschnitten? Oder aber, ich habe den entscheidenden Hinweis trotz mehrfachem schauen übersehen? Das entwendete Gedicht lautet:
Oh eines Tages wir meine Tochter und ichein Blumentempel.Der Mörder stahl ausgerechnet dieses Gedicht. Warum nicht das Herbstgedicht, das ebenfalls im Notizbuch des Spekulanten stand und - wie ich meine - poetischer klingt als dieses? Die Antwort ist plausibel: der Täter lebt getrennt von seiner Ehefrau und Tochter; das "Tochtergedicht" berührte ihn persönlich viel stärker als das Herbstgedicht.
Wie schon angesprochen gefällt mir das Herbstgedicht aus mehreren Gründen. Aber es paßt augenfällig so garnicht zu dem ignoranten Mordopfer. Beim ersten zitieren habe ich leider einen kleinen Fehler eingebaut. Richtig lautet es wie folgt:
Im Herbst sind wir nunin meinem Leben gibt es, achkeine Sorgen.Bei meinem Verhörer ("acht kleine Sorgen" statt "ach, keine Sorgen") paßte das Gedicht - meinem Eindruck über die Persönlichkeit des Spekulanten nach - zum Charakter des Mordopfers. Ich legte die Verse als Arroganz, eine Art Selbstgefälligkeit, etwas wie auf-die-eigene-Schulter-klopfen aus. Wer nur kleine Sorgen hat, wird ja der Meinung sein im Großen und Ganzen das Leben gemeistert zu haben?Die Sache änderte sich auch nicht als ich meinen Hörfehler bemerkte. Nun hat der Typ sogar "keine Sorgen" - also der totale Überflieger?! Soviel Selbstlob (war wohl damit gemeint?), stinkt doch?!Irgendwann fiel mir dann das "ach" auf... Könnte der kleine Ausruf wohlmöglich als Seufzer gemeint sein? Das würde dann den ganzen ersten Eindruck des Gedichts auf den Kopf stellen - das Mordopfer, ein "Erfolgsmensch" mit augenfällig arrogantem und ignorantem Auftreten - trauerte weil er keine Sorgen im Leben hatte?
Das wirft natürlich die Frage auf wieso jemand traurig darüber sein sollte keine Sorgen zu haben? Vielleicht weil Menschen die keine (zwischenmenschlichen) Sorgen haben emotional Bankrott sind? Sich nicht um andere Menschen zu sorgen oder die Sorgen anderer Menschen zu teilen oder auf sich zu nehmen, macht das eigene menschliche Dasein ärmer.Wenn das so stimmt und Sensei Aoyama auf einen wirklich derart komplexen Charakter aufmerksam machen wollte - er wollte vielleicht aufzeigen das Menschen nicht bewußt bösartig sind und schlechtes Benehmen nicht selten der Versuch ist auf das eigene Dilemma aufmerksam zu machen? - dann wäre "Mord in Dichterkreisen" eine stark(e) tiefenpsychologische Geschichte. Zwar gibt es auch andere Episoden in denen die Übeltäter eigentlich garnicht wirklich Andere schädigen wollen, aber "Mord in Dichterkreisen" wäre somit von der qualitativen Komplexität her eine Ausnahmeepisode. Der einzige Wink Aoyamas darauf wäre nämlich dieses (verwirrende) Kurzgedicht.
Oder aber: bei mir zieht's gewaltig im Oberstübchen.