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Grüße, Kitsune^^

Ich weiß nicht genau, was du jetzt hören willst. Aber vielleicht das hier:


Auf blattlosem Ast
Sitzt allein eine Krähe;
Herbstlicher Abend.
 - Matsuo Bashô -
Grüß dich, Hermes.

Es ist wieder Herbst! : )

Was neues von der poetischen Front? : )

(Jetzt schreibe ich schon metrisch.)
Hehe, frag, so viel du möchtest^^
Die Übersetzung war nicht allzu schwer (obwohl das 高し vorerst verwirrend war, aber sonst war das relativ klar).

Man kann in der Tat sehr viel in solche Gedichte reinlesen. Das schwierige ist halt die Kürze eines Haiku. Aber da es eine relativ durchstruktierte Kunstform ist, hat man jetzt auch nicht so viel Spielraum. Hier ist das eben der Fall, weil es kurz vor dem Tod geschrieben wurde und kein künstlerisches Haiku mit Thema usw. sein sollte.

Es ist unglaublich schwer, das Gedicht zu interpretieren, wenn man nicht weiß, wer es jetzt genau geschrieben hat :DJa, ich muss mir die Folge auch noch mal ansehen^^
Freut mich wirklich sehr dass du noch an dem Thema dran bist! : ) Bist ja meine beste Quelle für japanische Poesie, da muss ich dich ausschröpfen so lang es geht! : ) Hast wieder mein Interesse geweckt; "Renso" scheint ja noch subtiler als "Kigo". Super dass du dich an eine Übersetzung des Herbestgedichts gewagt hast!

Tiefer Herbst
In meinem Leben
Gibt es kein Leid.

So gesehen wird es vermutlich doch um die letzten Momente im Leben gehen (=Herbst) und dass er gerade kein Leid empfindet; auch wenn Herbst oder kigo dafür eigentlich was anderes Bedeutet. Ansonsten ergibt das alles nämlich keinen Sinn.

Du sagst es... "Ansonsten ergibt das alles keinen Sinn." Ich finde das Gedicht immer noch (oder immer wieder) irritierend, paradox... Das soll jetzt aber nicht negativ gemeint sein! Erstaunlich wieviel man in drei Sätze "reinpacken" kann und wie stark das Denken beschäftigt wird! Das beeindruckt und fasziniert mich sehr!

Du selbst hast ja eine positive, optimistische Interpretation des Gedichts:

Ich sehe das Gedicht als eine Art Statement an. Es ist wie ein Abschiedsbrief, heißt also quasi: "Mein Leben geht nun zu Ende. Ich bereue nichts."

Für positiv halte ich das Gedicht eigentlich auch. Da fließt vieles zusammen. Man kann das Gedicht sowohl als persönliches Statement eines bestimmten Menschen lesen, als auch als philosophische Sentenz. Einerseits als Resüme eines individuellen Lebens und andererseits vielleicht als überzeitliche, transpersonale Idee über das was wir überhaupt Leben nennen. Läuft beides vielleicht irgendwo, irgendwie, irgendwann zusammen?

Aber wie war das jetzt, hat der fiese Ushikobu das Gedicht geschrieben oder war es jemand anderes? Und wen ja, wer?

Hast recht... Ich habe da auch kaum den Durchblick gehabt - und das nach der ganzen Beschäftigung mit der Folge! Aber ich war auch zu sehr auf das Herbstgedicht fixiert und habe anderes ausgeblendet. Manchmal hatte ich übrigens auch das Gefühl als wenn in der dt. Fassung etwas fehlte... Kannst du dir die Folge uncut und auf Japanisch ansehen? Ich nehme jedenfalls die Folge nochmal unter die Lupe; mit besonderer Konzentration auf deine Fragestellung!

Aber, es eilt nicht... : )))
Hey Kitsune,

in der Tat ein leicht verspäteter Beitrag :D

[Bzgl. Kigo: Eigentlich gibt es gewisse Dinge, die für verschiedene Kigo stehen, die i.d.R. auch eingehalten werden; so stehen z. B. Kirschblüten für Frühling, Zikaden für Sommer, Grillen (die Tiere^^) für Herbst und Fallende Blätter für Winter. Aber an sich hast du natürlich Recht. Es gibt eine Menge Kigo.
Daneben gibt es noch einen Haufen anderer Stilmittel, die man selten der Übersetzung entnehmen kann. Z. B. gibt es noch so genannte "Renso", die Assoziationen wecken sollen usw.]

Die Szene mit Ran und Conan am Schrein hat was. Und das hängt auf jeden Fall mit dem Gedicht zusammen - so wie Kleinigkeiten bei DC-Folgen immer miteinander in Verbindung stehen, was wirklich ein großer Zufall ist :D

Allerdings kommen wir mit dem Gedicht nicht wirklich weiter. Jetzt packt es mich doch. Ich werde mal versuchen, das japanische Original zu finden. Vielleicht hilft das weiter. Denn die Frage war ja eigentlich, was es mit diesem Gedicht auf sich hat.

(Aber das mit Kogoro ist klasse :D Er ist so ein Idiot manchmal^^)


EDIT:
Ich habe das Gedicht auf Japanisch in der Folge gefunden.
秋高し
我が人生に
憂いなし

Die dt. Übersetzung passt ziemlich gut. Eigentlich lautet der erste Vers jedoch eher "tiefer Herbst"; also quasi "Ich befinde mich im tiefen Herbst".
Meine Übersetzung wäre also eher:
Tiefer Herbst
In meinem Leben
Gibt es kein Leid.

So gesehen wird es vermutlich doch um die letzten Momente im Leben gehen (=Herbst) und dass er gerade kein Leid empfindet; auch wenn Herbst oder kigo dafür eigentlich was anderes Bedeutet. Ansonsten ergibt das alles nämlich keinen Sinn.
Ich sehe das Gedicht als eine Art Statement an. Es ist wie ein Abschiedsbrief, heißt also quasi: "Mein Leben geht nun zu Ende. Ich bereue nichts."
Aber wie war das jetzt, hat der fiese Ushikobu das Gedicht geschrieben oder war es jemand anderes? Und wen ja, wer?
[Jetzt sind wir im Frühling und eigentlich wollte ich dir schon letzten Herbst antworten! :) Den Text hatte ich eigentlich schon fertig... Aber du weist sicher auch wie das ist; man verschiebt etwas immer wieder auf den nächsten Tag bis man es irgendwann ganz vergisst. Entschuldige also bitte die "kleine Verspätung". Hier meine Antwortpost vom letzten Herbst:]

Ich grüße dich, Hermes.

Vielen Dank für deine Aufklärung. Das lyrische Konzept des Kigo hat meine Interpretation doch sehr gewandelt. Nachdem du das Stichwort genannt hattest, habe ich mich auf die Schnelle bei Wiki informiert. Bisher stand ich da leider total auf dem Schlauch. Man sieht wieder einmal wie ein Detail (Bedeutung des Kigo) schlagartig das ganze Gesamtbild verändern kann. Aus dem was du schon über das Kigo-Konzept geschrieben hattest und den neuen Informationen, kann ich mir jetzt mehr zusammenreimen. Grob zusammengefaßt: ein Kigo verweist auf die Jahrezeit in einem japanischen Kurzgedicht. Der Verweis soll die Grundstimmung wiedergeben. Wobei das Kigo praktisch durch alles mögliche ausgedrückt werden kann; Pflanzen, Wetter, Tiere, astronomische Gegebenheiten usw... In diesem Rahmen fungiert das Kigo als standartisiertes-formales Konzept japanischer Kurzlyrik. Das Konzept tritt schon bei den ersten bekannten japanischen Gedichten aus dem 7. Jahrhundert auf. Wen's interessiert sollte den Wiki-Artikel lesen. (Übrigens habe ich erst vor zwei Tagen bei einem Altstadtbummel in Schaufenster eines Büchergeschäfts ein Buch mit dem Titel "Japanische Jahreszeiten - Gedichte aus dreizehn Jahrhunderten" bemerkt. Da kam mir sofort wieder "Mord in Dichterkreisen" in den Sinn.)

Warum Jahreszeiten? Ich hab's eigentlich bei dem Herbstgedicht selbst erfahren ohne es zu merken: Kaum etwas läßt Menschen so sehr die eigene Lebens-Zeit erleben oder bewußt werden, wie die Jahreszeiten. Die Jahreszeiten sind wie Spiegel, die zur Selbstbetrachtung aufrufen. Selbstbetrachtung ist immer ein erinnern. Das japanische Kigo-Konzept hat diese spirituelle Erfahrung meisterhaft eingefangen.

Nun hat die Kigo-Information gleich auf mehreren Ebenen meine Sichtweise auf die DC-Folge "Mord in Dichterkreisen" verändert. Wobei mir besonders eine poetische Szene zwischen Conan/Shinichi und Ran bewußter geworden ist. Wohlmöglich hat Sensei Aoyama das Kigo-Konzept gleich in mehrere Szenen der Folge eingewoben.

Ähnlich wie der Mörder in "Mord in Dichterkreisen" hatte mich das schöne Herbstgedicht im Notizbuch des unsympatischen Mordopfers allzu stark beeindruckt. Der Mörder entfernte ja ein anderes Gedicht (das Tochtergedicht, das den Täter wegen seiner familiären Situation persönlich stark ansprach) aus dem Notizbuch, weil er meinte ein so menschlich gefühlsbetontes Gedicht dürfe nicht als Nachlass eines derart grobschlächtigen Menschen bekannt werden. Wobei sich der Täter aber irrte; das Gedicht stammt von einer dritten Person. Conan kommt wohl darauf weil die dritte Person kurz erwähnt hin und wieder auch Gedichte zu schreiben.

Zu Aoyamas herbstlichen Kigo-Szenerie: Gleich zu Anfang sitzen Ran, Conan und Kogoro im Schnellzug. Durch die Fensterscheiben sieht man herbstliche Farben vorbeirauschen. Kogoro hat bei einer Tombola wieder einen Ausflug abgesahnt. Die Drei fahren nach Matsue.

(Hier kann ich mich nicht zurückhalten, da muss ich mich mal als japanischer Kurzlyriker versuchen:

Schönheit, Trunkenheit und Knirps
im Schnellzug
Herbstfarben fliegen vorbei.):))

In Matsue besuchen die Drei diverse Sehenswürdigkeiten. Im Hotel trifft das Trio auf eine Hobby-Dichtergruppe. Kogoro blamiert sich mit einem falsch zitierten Gedicht:

Sehet die Muschel!
Oh der Gewässer Tiefe,
schließet Ihre Schönheit ein.

Die Literaturwissenschaftlerin, Kopf der Hobby-Dichter, klärt Kogoro auf. Richtig lauten die Verse:

Sieh die Muschel,
in der Tiefe der See
ist Ihre Schönheit verborgen.

(Wie schon erwähnt, konnte ich mich in dieser Folge gut in Kogoro hineinversetzen.) :))

Beim Abendessen mit den Hobby-Dichtern fragt Ran Conan ob es denn nicht eine gute Idee wäre wenn sie am Folgetag den Yaegaki-Schrein besuchen würden. Angeblich kennt Ran den Schrein nicht und die Literaturwissenschaftlerin hat sie beim gemeinsamen Bad auf den Gedanken gebracht. In Wirklichkeit waren aber Ran und Shinichi schon einmal beim Yaegaki-Schrein. Der Yaegaki-Schrein ist bekannt als Tempel des Gottes der Hochzeiten und hat auch ein Orakel für Liebesauskünfte. Conan ist von dem Gedanken überhaupt nicht begeistert und versucht vergeblich Ran vom Besuch des Schreins abzuhalten. Die Literaturwissenschaftlerin erwähnt nebenbei Ran kenne wohl schon einen Jungen der ihr viel bedeute. Ran und Conan werden daraufhin total schüchtern. Interessant ist die Reaktion von Kogoro: der guckt die beiden voll Misstrauen an. Unklar bleibt ob ihm eher die Reaktion von Ran oder Conan auffällt. (In der Folge gibt es dann noch eine Szene in der sich Kogoro ungewöhnlicherweise Gedanken um Conan macht.)

Am nächsten Tag sind Ran und Conan am Spiegelsee; dem Orakel des Yaegaki-Schreins. Das Orakel besteht einfach darin ein Stück beschriebenes Papier mit einer Münze darauf auf die Wasseroberfläche zu legen und abzuwarten was passiert. Von einem Aushang liest Ran folgendes vor: "Man findet die Liebe seines Lebens, wenn das Papier nach 15 Minuten immer noch nicht gesunken ist. Wenn es in deiner Nähe untergeht, ist der den du liebst in der Nähe." Darauf Conan ungewöhnlich melancholisch: "Aha." Ran macht sich an das Orakel. Ganz modebewußt zur Jahreszeit trägt sie eine organgenfarbene Jacke. Conan beobachtet sie kurz. Setz sich dann aber etwas ab. Ein Hundewelpe gesellt sich zutraulich zu Conan. Es stellt sich heraus dass die beiden sich schon kennen. Conan in Gedanken: "Genau deshalb wollte ich nicht mit ihr hierhergehen. Ran ich weiss nicht was die Götter dir raten, aber..." Es ist ganz sicher: Shinichi war also schon einmal mit Ran im Yaegaki-Schrein. Wehmütig erinnert er sich an diese vergangenen Tage. Vielleicht waren die beiden auch damals zur Herbstzeit dort? Als Ran fröhlich wieder zu Conan stößt (wie das Orakel ausgefallen ist bleibt im übrigen ein Geheimnis!), stottert Conan ihr kurz etwas zu... Wahrscheinlich kommt ihm der Gedanke Ran alles zu gestehen. Genau in diesem Moment klingelt Rans Handy. Kogoro informiert sie über den Tod des Börsenspekulaten. Am Tatort findet Conan auch das Notizbuch des Opfers, in dem ihm die herausgerissene Seite und das Herbstgedicht auffallen.
Erstmal Danke Kitsune^^ Allerdings ist dein Post viel gewaltiger als meiner :D Hast dir ganz schön viel Mühe gegeben!

Das mit Goethe und dem hin-und-her-übersetzen ist wirklich interessant :D Schon verrückt, wie sehr man sich vom Original entfernen kann^^ Man kann sich auch einfach mal ein Haiku, Tanka, oder was auch immer nehmen, und sich verschiedene Übersetzungen reinziehen. Es ist erstaunlich was einfach hinzugefügt wird, reininterpretiert wird oder sonst was gemacht wird. Aber wie du schon sagtest, Kitsune, geht es hier eigentlich nicht um die Problematik des Übersetzens ;-)

Back to Conan also:
Es ist schwer zu sagen, ob Aoyama die Folge als "tiefenpsychologische" Folge gemeint hat^^ Aber das ist auch nicht wichtig, sie kann es ja trotzdem sein.

Im Herbst sind wir nun

in meinem Leben
gibt es, ach
keine Sorgen.

Ich würde das Gedicht gar nicht melancholisch oder traurig interpretieren. Für mich klingt es glücklich, zufrieden. Herbst steht natürlich gerne für etwas, das sich dem Ende (=Winter) naht also sprich Ende seines Lebens zum Beispiel. (Das muss natürlich nicht sein.)
ABER:
In japanischen Gedichten nennt man das kigo und es ist nicht wie häufig in "westlichen" Gedichten so wie z. B. oben zu interpretieren. Es handelt sich vielmehr um Jahrszeitangaben (eigentlich nennt man auch nicht die Jahreszeit an sich, das wäre zu plump ;-) ). Dadurch kann der Leser verstehen, in welcher Zeit man sich befindet und was man damit verbindet. Z. B. wie warm es ist, ob die Blüten blühen, wie gut man den Mond sehen kann, usw. Es ist also unwahrscheinlich, dass man sich auf die Lebenszeit bezieht, aber möglich ist wie immer alles^^
Unter dieser Voraussetzung jedoch, ergibt das Gedicht wieder weniger Sinn :-(
Ich verstehe es nicht.

Warum wurde das Gedicht eigentlich in der Folge erzählt/vorgetragen? Einfach nur so, weil Kogoro es gelesen hat oder so? Denn dann hat es vielleicht gar keine Bedeutung für die Folge, sondern wurde nur vorgelesen, um die Folge mit einem Gedicht einzuleiten, weil ein Gedicht schließlich der Schlüssel zur Lösung/Enttarnung des Täters ist.
Hermes, das haben dir wohl die Götter eingeflüstert?! :) Schöne Post. Da muß ich gebührend antworten.

Wie es der Zufall will, hörte ich erst kürzlich in einem Radiobeitrag von einem schönen(!) Beispiel für deutsch-japanische Übersetzung(!). Da wurde Sensei Goethes "Wandrers Nachtlied" zunächst ins Japanische übersetzt.

Das Original vom Meister lautet:

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

(Ich habe das Goethe-Gedicht aus Wiki zitiert. Es handelt sich eigentlich um zwei Gedichte. Beide Gedichte wurden vom Meister in seiner Gesamtausgabe 1815 zusammengefaßt. Lest euch einfach den Wiki-Artikel
durch. Zufälligerweise habe ich aus dem Artikel erfahren dass der Meister die "Über allen Gipfeln"-Verse am 6. September 1780 geschrieben hat; genau heute feiert das Gedicht seinen 235sten.)

Die Verse wurden 1902 vom deutschen Original ins Japanische,  1911 aus der japanischen Übersetzung ins Französische und kurz darauf wieder ins Deutsche übersetzt. Kurioserweise waren sich die Deutschen Übersetzer garnicht bewußt einen deutschen Klassiker vor sich zu haben. Wahrscheinlich kam die französische Übersetzung als "Gedicht aus Japan" nach Deutschland und Goethes Erben nahmen wohl an es mit einem echten japanischen Gedicht zu tun zu haben. So brachten die Deutschen Übersetzer dann auch noch "zielgerichtet" fernöstliche Exotika (Pavillion, Jade, Kirschbaum) in die Übersetzung:

Stille ist im Pavillion aus Jade
Krähen fliegen stumm
zu beschneiten Kirschbäumen
im Mondlicht
ich sitze und weine.

Eigentlich ein typisches Beispiel für die Schwierigkeiten "rein sprachlicher" Kommunikation an sich. Auch Muttersprachler "verstehen sich" schließlich nicht automatisch. Immer kommen etliche linguistische, psychologische, erkenntnistheoretische etc Missverständnisse, Manipulationen oder schlichtes Unvermögen hinzu. (Das große Problem des mich-versteht-keiner. Versteht sich denn jeder selbst?) Bei diesem Beispiel kommt dann natürlich noch besonders der Stille-Post-Effekt hinzu.

DC-Fans ist das Übersetzungsproblem - sei es Manga oder Anime; von Profis oder Amateuren, ohnehin sehr geläufig. Eigentlich wollte ich hier aber nicht auf die Übersetzungsproblematik hinaus; das es durch die Post von Hermas nun doch dazu gekommen ist, finde ich aber ganz gut. Man sieht wieder wie schwer es ist von einer Sprache in eine andere zu übersetzen oder einen Sinn aus einer Kultur in eine andere Kultur zu übertragen.

Aber zurück zur DC-Folge "Mord in Dichterkreisen". Das Mordopfer, ein skrupelloser Börsenspekulant, beleidigt permanent alle Menschen um sich herum und geht auch soweit Andere gezielt geschäftlich zu schädigen und sogar zu erpressen. Nach dem Mord entwendet der Täter ein Gedicht aus dem Notizbuch des Spekulanten. Conan kann das Gedicht rekonstruieren oder ausfindig machen und als der Täter das Gedicht zitiert, wird er von Conan überführt. Mir ist nicht ganz klar wie Conan an das entwendete  Gedicht gekommen ist. Vielleicht hat er einen der Polizeibeamten beauftragt den eigentlichen Dichter - ein Untergebener des Börsenspekulanten, der sich kurz bei Kogoro Mori vorstellte - auszufragen? Vielleicht wurde die Ermittlung um das Gedicht in der deutschen Folge geschnitten? Oder aber, ich habe den entscheidenden Hinweis trotz mehrfachem schauen übersehen? Das entwendete Gedicht lautet:

Oh eines Tages wir
meine Tochter und ich
ein Blumentempel.

Der Mörder stahl ausgerechnet dieses Gedicht. Warum nicht das Herbstgedicht, das ebenfalls im Notizbuch des Spekulanten stand und - wie ich meine - poetischer klingt als dieses? Die Antwort ist plausibel: der Täter lebt getrennt von seiner Ehefrau und Tochter; das "Tochtergedicht" berührte ihn persönlich viel stärker als das Herbstgedicht.

Wie schon angesprochen gefällt mir das Herbstgedicht aus mehreren Gründen. Aber es paßt augenfällig so garnicht zu dem ignoranten Mordopfer. Beim ersten zitieren habe ich leider einen kleinen Fehler eingebaut. Richtig lautet es wie folgt:

Im Herbst sind wir nun
in meinem Leben
gibt es, ach
keine Sorgen.

Bei meinem Verhörer ("acht kleine Sorgen" statt "ach, keine Sorgen") paßte das Gedicht - meinem Eindruck über die Persönlichkeit des Spekulanten nach - zum Charakter des Mordopfers. Ich legte die Verse als Arroganz,  eine Art Selbstgefälligkeit, etwas wie auf-die-eigene-Schulter-klopfen aus. Wer nur kleine Sorgen hat, wird ja der Meinung sein im Großen und Ganzen das Leben gemeistert zu haben?Die Sache änderte sich auch nicht als ich meinen Hörfehler bemerkte. Nun hat der Typ sogar "keine Sorgen" - also der totale Überflieger?! Soviel Selbstlob (war wohl damit gemeint?), stinkt doch?!Irgendwann fiel mir dann das "ach" auf... Könnte der kleine Ausruf wohlmöglich als Seufzer gemeint sein? Das würde dann den ganzen ersten Eindruck des Gedichts auf den Kopf stellen - das Mordopfer, ein "Erfolgsmensch" mit augenfällig arrogantem und ignorantem Auftreten - trauerte weil er keine Sorgen im Leben hatte?

Das wirft natürlich die Frage auf wieso jemand traurig darüber sein sollte keine Sorgen zu haben? Vielleicht weil Menschen die keine (zwischenmenschlichen) Sorgen haben emotional Bankrott sind? Sich nicht um andere Menschen zu sorgen oder die Sorgen anderer Menschen zu teilen oder auf sich zu nehmen, macht das eigene menschliche Dasein ärmer.Wenn das so stimmt und Sensei Aoyama auf einen wirklich derart komplexen Charakter aufmerksam machen wollte - er wollte vielleicht aufzeigen das Menschen nicht bewußt bösartig sind und schlechtes Benehmen nicht selten der Versuch ist auf das eigene Dilemma aufmerksam zu machen? - dann wäre "Mord in Dichterkreisen" eine stark(e) tiefenpsychologische Geschichte. Zwar gibt es auch andere Episoden in denen die Übeltäter eigentlich garnicht wirklich Andere schädigen wollen, aber "Mord in Dichterkreisen" wäre somit von der qualitativen Komplexität her eine Ausnahmeepisode. Der einzige Wink Aoyamas darauf wäre nämlich dieses (verwirrende) Kurzgedicht.

Oder aber: bei mir zieht's gewaltig im Oberstübchen.
Bei diesen Gedichten ist eigentlich fast immer Doppeldeutigkeit mit drin, die Übersetzen natürlich schwierig machen^^ Aber bei diesem hier klappt es zum Glück.
Du hast es aus deinem Gedächtnis heraus aufgeschrieben? Wäre mal interessant zu wissen, was wirklich gesagt wurde und was im Japanischen (vielleicht gucke ich es gleich mal nach, aber vermutlich nicht, wie ich mich kenne^^).

Übrigens geht selbst auf japanischer Seite mancher Sinn verloren, weil es bei einigen Gedichten Wortspiele gegeben hat, die die "moderne" japanische Aussprache so nicht wiedergeben^^
Gerade habe ich in den News vom meteorologischen Herbstbeginn gelesen. Da fiel mir wieder das Gedicht aus "Mord in Dichterkreisen" ein (ich zitiere mal frei aus dem Gedächnis): 
Es ist Herbst
in meinem Leben
gibt es, ach!
keine Sorgen
Das Gedicht (im Stil eines japanischen Kurz- bzw Silbengedichts) blieb bei mir auch  deshalb haften weil ich mich beim ersten mal verhörte:
Es ist Herbst
in meinem Leben
gibt es acht
kleine Sorgen
(Übrigens ganz ähnlich hat sich in der Folge auch Kogoro bei einem weiteren lyrischen Zitat blamiert. ) 
Erst beim zweiten oder dritten hören (etliche Monate später), habe ich dann meinen Fehler bemerkt. Aber wie ich finde, ist doch auch meinem Verhörer eine gewisse lyrische Qualität nicht abzusprechen... ;-)
Das Gedicht bzw überhaupt diese Art zu dichten, gefällt mir auch wegen der (versteckten) Doppeldeutigkeit. Die ersten beiden Verse können sowohl auf die Jahreszeit als auch auf die Lebenszeit bezogen werden. Erst der  Schlussvers zeigt an was gemeint ist. Sogar bei meinem Verhörer ist das der Fall! Seht ihr doch genauso?! ;-)